Menschheitsgeschichte als schwarze Kunst
Menschheitsgeschichte als schwarze Kunst
Eine anti-autoritäre Oper von Heiner Goebbels
Information
- Sammlung
- Heiner Müller
- Mit
- Müller's circle: Heiner Goebbels
- Dauer
- 00:15:11
- Datum
- 19 Okt. 2003
- Sendung
- Primetime
Beschreibung
Zu Beginn von Kluges Prime Time Sendung über Heiner Goebbels Oper “Landschaft mit entfernten Verwandten” (Uraufführung 2002, am Grand Théâtre in Genf mit dem „Ensemble Modern“) werden Ausschnitte aus dem ersten, zweiten und vierten Akt gezeigt, die einen Eindruck von der Musik und Bildsprache geben.
Das Besondere an Goebbels Inszenierung ist die gegen Konventionen des Theaters („gegen die Stufenleiter der Theatermittel“) gerichtete Gleichstellung und Pluralität von theatralen Ausdrucksmitteln wie Schauspiel, Text und Musik. Analog zu einer in der Oper zweifach rezitierten Textstelle aus Giordano Brunos “Zwiegespräche vom unendlichen All und den Welten”, in der er die Hierarchisierung des Universums im geozentrischen Schichtenmodell in Frage stellt, versucht Goebbels in seiner Inszenierung kein künstlerisches Element dem anderen unterzuordnen.
Gleichermaßen richtet sich Goebbels gegen eine hierarchische, autoritäre Theaterleitung, die ein künstlerisches Konzept fest vorgibt. Vielmehr stehe der Ensemblegedanke im Vordergrund. Gerade mit dem „Ensemble Modern“, als selbst verwaltete Solistengruppe ohne künstlerische Leitung, sei es möglich gewesen, die Entwicklung der Oper als gemeinsamen Prozess zu realisieren, in dem jeder seine Rolle und Position immer wieder neu aushandeln muss.
Die Bildsprache der Oper lebt von der ständig changierenden Doppelrolle der Ensemblemitglieder als Musiker im Orchestergraben und Schauspieler auf der Bühne. Goebbels hat sich zudem von Motiven aus der Bildenden Kunst inspirieren lassen: So war die Fotografie des albanischen Künstlers Sislej Xhafa Vorlage für eine Sequenz aus dem ersten Akt, in der die Musiker mit Masken auf der Bühne zu sehen sind. Goebbels fasziniert die „interessante Balance zwischen Schrecken und Schönheit“ in der Bildsprache, die, anstatt eine klare Aussage zu präsentieren, die Zuschauer zum Nachdenken anrege, zu einer Parteinahme auffordere. Es ist diese Spannung einer Uneindeutigkeit, die Goebbels auch in seiner Musik kompositorisch zum Ausdruck bringen will.