Zu Alexander Kluge

Zu Alexander Kluge

Alexander Kluge gehört zu den führenden intellektuellen Stimmen in Deutschland. Als junger Mann der „Lieblingssohn Adornos“ (O. Negt), kann alles, was er in Sprache oder Bildern publiziert hat, als Fortsetzung der „kritischen Theorie“ verstanden werden.

Zunächst ein Blick auf die Aktualität: 2013 veröffentlichte Kluge drei größere Titel: Nachricht von ruhigen Momenten. 89 Prosa-Miniaturen von Alexander Kluge sind montiert mit 64 Fotografien Gerhard Richters. Dies ist der zweite Band, den der Schriftsteller zusammen mit dem Künstler veröffentlicht, der erste erschien unter dem Titel Dezember 2010 (in amerikanischer Übersetzung ebenfalls 2012). --  "Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter": 48 Geschichten für Fritz Bauer. Das sind Geschichten über die Judenvernichtung, Fritz Bauer war Generalstaatsanwalt in Frankfurt und verantwortlich für die Durchführung des ersten Auschwitz-Prozesses. –- „Theorie der Erzählung“. Filmmitschnitt (vier Stunden) der Poetik-Vorlesung an der Universität Frankfurt von 2012.

Dann ein Blick auf die Anfänge: Kluge wurde Anfang der sechziger Jahre gleichzeitig als Schriftsteller und Filmregisseur bekannt.  Sein Film Abschied von Gestern gewann 1966 als erster deutscher Film nach 1945 in Venedig den Goldenen Löwen, 1987 läuft in den Kinos sein 27. Film. Die Bezeichnung „der deutsche Godard“ charakterisiert seine Filmarbeit zutreffend. Ohne Kluge als Organsiator und Moderator hätte der „Neue deutsche Film“ (Fassbinder, Herzog, Schlöndorff u.a.) in den siebziger Jahren nicht die Weltgeltung erreicht, die er damals hatte. Mit seinem ersten Erzählband Lebensläufe (1962), der die Brüche deutscher Lebensläufe beschreibt (wer um 1900 geboren wird, hat, wenn er 60 ist, in vier verschiedenen Staaten gelebt), dem Montageroman über Stalingrad (Schlachtbeschreibung, 1964) galt Kluge Anfang der sechziger Jahre als „Erfinder der dokumentarischen Methode“.

Es gibt aber nach Kluge keine Fakten, an die sich nicht sofort Phantasien, Gefühle, Erinnerungen, Wünsche, Protest heften. Objektiv ist nicht die Objektivität, sondern die objektiv-subjektiven Beziehungen. „Das Allerobjektivste ist das Subjektive“ lautet einer von Kluges verblüffenden Sätzen. Die menschliche Natur, in der solche Eigenschaften wie das „Urvertrauen“, „Hunger nach Sinn“, die Glückssuche fest verankert sind, ist ein ebenso hartes Faktum wie es die Schönheiten und die Grausamkeiten der äußeren Natur und der Geschichte sind. Kluge hat bis heute fünf große Bücher (insgesamt ca. 7000 Seiten) Erzählungen veröffentlicht, die auch von der Tradition der amerikanischen short-story beeinflusst sind. Er hat alle bedeutenden Literaturpreise Deutschlands und Filmpreise in Venedig, Cannes und Berlin erhalten.

Die von Kluge seit 1988 mitten im Kommerzfernsehen produzierten „Kulturmagazine“ sind eine Ausnahmeerscheinung. In den vergangenen 25 Jahren hat Kluge davon wöchentlich 2-3 Sendungen in der Länge von 15, 25 und 45 Minuten hergestellt, so dass sich insgesamt etwa 1.700 Stunden Sendezeit ergeben. Sie beschäftigen sich zu je einem Drittel mit Buch, Film und Oper und lassen ahnen, was Fernsehen sein könnte, wenn es nach den Maßstäben des Autorenfilms ginge. Thematische Schranken gibt es gar nicht, was immer in Kunst, Wissenschaft, Philosophie interessant ist, soll im Fernsehen einen Platz haben.

Alexander Kluge, photo by Markus Kirchgessner

Alexander Kluge
Photo: Markus Kirchgessner

Drei Staffeln von Sendungen, die Kluge mit „Kollegen“, Intellektuellen von gleichem Rang, geführt hat, haben wir auf den folgenden Seiten mit Genehmigung Kluges dokumentiert. Wir freuen uns auch, Kluges Serpentine Gallery-Programm (eine Kurzfilmsammlung von 1995-2005) präsentieren zu können; sowie die Nachrichten aus der ideologischen Antike: Marx – Eisenstein – Das Kapital von 2008, Kluges ehrgeizige Umsetzung eines Plans von Sergei Eisenstein aus den 1920ern, Marx' Kapital zu verfilmen.