Heiner Müller über Rechtsfragen

Heiner Müller über Rechtsfragen

Zum Kleist-Preis 1990

Information

Sammlung
Heiner Müller
Mit
Heiner Müller
Dauer
0:24:15
Datum
22 Okt. 1990
Sendung
Ten to Eleven

Beschreibung

"Die Metapher ist klüger als der Autor" (Lichtenberg), eine "Sichtblende", ein "Bündelungsinstrument" (Müller), denn "es bewegt sich alles so sehr" (Gertrude Stein) - diese Funktionen des bildlichen Redens erläutert Müller an der Metaphorik Shakespeares. Sie korrespondiert mit mit der Beschleunigung des elisabethanischen Zeitalters (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts), dessen Konsoli-dierung ihn in den letzten Stücken zu einer allegorisierenden Sprache treibt.

Müllers "dramatische Texte" Woloko-lamsker Chaussee I-V (1984 - 88) leh-nen sich an Aleksandr Beks gleichnamigen Roman an, der in der russischen Literatur zum ersten Mal "Rechtsfragen" stellt. Das Gespräch kreist jetzt, am Beispiel von Müller Texten und historisch-anekdotischen Erläuterungen um die Frage, wie Recht (in der russischen Gesellschaft) entsteht. Speziell geht es dabei um drei Rechtsfragen: Schutz des Soldaten vor seinem Vorgesetzten, De-gradierung eines ranghöheren durch einen rangniederen Offizier, und die Frage, bis wann ein Staat das Recht hat, Bedürfnisse der Bevölkerung im Interesse einer Strategie zurückzustel-len. Kluges Versuch, mit dem Hinweis auf die Vielfalt von Ausdrücken für "Gewalt" in der lateinischen Sprache der Entstehung des Rechts genauer nachzuforschen, weicht Müller schließlich mit dem Satz aus: "Ich glaube, ich darf darüber nicht nachdenken, ich muss darüber schreiben".

Im letzten Teil des Gesprächs hebt Müller an zwei Beispielen (Kleists Find-ling und einer ähnlichen wahren Bege-benheit aus der DDR) die Fähigkeit der Metapher hervor, Vergangenheit, Ge-genwart und Zukunft gleichzeitig darzu-stellen.