Auf dem Weg zu einem Theater der Finsternisse

Transkript: Auf dem Weg zu einem Theater der Finsternisse

Textband
Der Dramatiker Heiner Müller leitet das “Berliner Ensemble” / Theater, sagt er, stellt Erzählbarkeit her / Es hat die Aufgabe, die Toten zu begraben / Unheil muß auf dem Theater solange wiederholt werden, bis dieses Unheil müde wird / Die 13. Tat des HERKULES-\-
Tafel
Auf dem Weg zu einem THEATER DER FINSTERNISSE Heiner Müller über den Satz: “Das Theater muß die Toten begraben–” \- [Heiner Müller in Berlin] [Heiner Müllers Bücher]
Kluge
Was würdest du tun, wenn du Zeit hast zu schreiben?
Müller
Ich habe angefangen, ein Stück zu schreiben, das würde ich zu Ende schreiben, oder werde ich auch zu Ende schreiben, sobald ich Zeit habe, zwischendurch schreibe ich ein bißchen daran. Und in dem Kopf geht’s natürlich auch weiter. Und dann gibt’s ein Problem, ich hab’ dem Boulez versprochen ein Libretto, und das existiert nach wie vor nicht. Und er ist sogar älter als ich, du weißt, er ist gerade 70 geworden, und das eilt eigentlich ein bißchen.
Kluge
Musiktheater?
Müller
Ja, er wird sehr lange brauchen, um das zu komponieren. Das dauert länger als das Schreiben. Auch rein technisch dauert’s länger. Und das beschäftigt mich sehr. Ich hatte zunächst die Idee, darüber hatten wir schon mal gesprochen, eine Version der “Orestie” zu machen, ich bin nicht mehr sicher, ob das sich lohnt und ob das richtig ist.
Kluge
Eine Digestform, eine Konzentratform?
Müller
Ja, und inzwischen bin ich da auf etwas gekommen, was mich schon sehr lange beschäftigt. Und zwar in der Version von Seneca, die Herakles-Geschichte. Und mit der Figur habe ich mich schon sehr oft abgeplagt. Aber ich hatte immer im Kopf so was wie “Herakles 13”, die 13. Arbeit von Herakles, die Befreiung Thebens von den Thebanern. Und die Metapher dafür ist diese Geschichte, wo er in einem Anfall von Wahnsinn seine Kinder tötet.
Kluge
Wofür er ja die ganzen Taten begeht. Er muß sich ja wie ein Sklave in die Gewalt eines Königs begeben, um abzubüßen, was er übrigens nicht selber gemacht hat, sondern Hera hat ihm das in den Kopf gesetzt als Wahnsinn.
Müller
Es gibt so Notizen dazu aus uralten Zeiten. Wo mich immer interessiert hat, es gibt zum Beispiel ein Herakles-Festival jedes Jahr, da werden seine Taten vorgeführt und gespielt, dargestellt, und plötzlich nimmt er das für real, was da gespielt wird, und sieht jetzt in jedem dritten Thebaner den nemeischen Löwen oder den kaledonischen Eber oder was immer.
Kluge
Und übt seine Heldentaten da an der eigenen Bevolkerung.
Müller
Und entdeckt dauernd quasi Reinkarnationen der Ungeheuer, die er getötet hat.
Tafel
Wahnsinn als letzte Phase/ HERKULES als Kraftintelligenz
Müller
Das ist eigentlich ein ganzes Bündel von Dingen. Du kennst diesen Text da in “Zement”, Herakles und die Hydra, wobei sich herausstellt, er ist die Hydra. Also die Identifizierung mit dem Gegner, mit dem Feind, daß man den Feind ißt und dadurch der Feind wird, und was immer. Die komische, DDR-optimistische Variante, in dem Herakles-Stück mit dem Augias-Stall. Aber wichtiger fand ich eben schon diesen Wahnsinn als letzte Phase.
Kluge
Er ist ja kein verschlagener Held, wie alle anderen.
Müller
Er ist ein dummer Held.
Kluge
Ein fleißiger, ein produktiver Held. Es gehört ja auch Intelligenz dazu.
Müller
Ja, aber es ist eine Bauernintelligenz.
Kluge
Eine Kraftintelligenz.
Müller
Ja, ja.
Kluge
Er will ja doch seine Taten gut machen. Das ist ein ganz schwerer Mythos, ganz schwer zu verstehen. Man sagt ja,daß er die Olympischen Spiele begründet hat. Die reichten ja dann bis 1936. Man sagt von ihm, daß er einen schweren Tod erlitten hat.
Müller
Da fällt mir, weil du ‘36 sagst, ist was Merkwürdiges. In der sowjetischen Mythologie, wenn man das mal so nennen will, Plakate, Agitationstexte, Bilder, kam die Herakles-Figur immer wieder vor, also Herakles als die Verkörperung des Proletariats, des Weltproletariats sogar, im Kampf gegen die Hydra des Kapitals oder des Imperialismus. Das gibt es auf Plakaten. Es ist völlig undenkbar, das fällt mir jetzt ein bei ‘36, daß die Nazis so eine Figur verwendet hätten. Warum eigentlich?
Kluge
Die Nazis haben nirgends einen starken Mann, der eine vielgestaltige …[unverständlich]
Müller
Sie haben keine Figur aus der Antike.
Kluge
Nein. Siegfried, ja. Aber aus der Antike nicht. In Frankreich wiederum wäre es ohne weiteres möglich, ein Plakat von 1936, “unsere Stahlindustrie”, also mit einem antiken Helden zu versehen. Auch Ikarus nicht, auch Dädalus nicht. Nun haben wir hier andere Helden. Also fliegen würde bei uns Schmied Wieland.
Müller
Aber den kennt keiner.
Kluge
Den kennt keiner. Aber laß uns noch mal zurückkommen auf den Herakles. Er stammt ab von Alkmene und Zeus, tötet als Kleinkind, als Baby, bereits wichtige Schlangen, gefährliche Schlangen. Und jetzt geht der Hader eigentlich wie im “Ring” bei Wagner, die Göttinmutter ihn mit Wahnsinn und Strafen und Krebsen, die ihn in die Ferse zwicken, verfolgt, während sein Göttervater ihn bevorzugt. Und dies bleibt unentschieden.
Tafel
Mit welchem antiken Vorbild würdest du Stalin vergleichen?
Kluge
Wüßte Stalin überhaupt mit irgendeinem antiken Helden etwas anzufangen? Jason, Odysseus?
Müller
Doch, mit Zeus. Und zwar die Idee von Zeus, eine neue Menschheit zu schaffen durch Vernichtung der alten, was ja der biblische Gott auch wollte. Und das war, wenn man will, die Idee von Stalin: Man muß den alten Menschen vernichten, damit der neue entsteht.
Kluge
Wen würdest du mit Herkules vergleichen?
Müller
Eher Kirow.
Kluge
Ah ja, der wird umgebracht. Aber vereinigte Arbeitskraft, das hätte etwas. Das könnte von Wahnsinn überfallen sein, das kann ein Nessus-Hemd angezogen kriegen, so daß alles verbrennt.
Müller
Magst du ein Wasser?
Kluge
Danke. Jetzt hast du ja ein zweites Fernrohr, wenn du so willst, Seneca genannt. Du siehst das ja jetzt nicht einfach eins zu eins, so wie du als Heiner Müller Herakles siehst, oder wie du vermutest, daß Boulez das in Musik setzen kann, sondern du siehst es ja immer durch Senecas Bearbeitung. Was hat Seneca da geschrieben? Ist es erhalten?
Müller
Das Interessante an Seneca im Verhältnis zu den griechischen Dramatikern ist, die Stücke waren ja gedacht als Lesedramen, die Stücke von Seneca, die wurden vorgelesen.
Kluge
Nicht aufgeführt waren, Lesedramen…
Müller
Und auf dem Irrtum, daß das Dramen für Aufführung waren, beruht eigentlich die elisabethanische Dramatik. Die kannten Seneca, aber nicht Sophokles, Aischylos, Euripides. Und bei Seneca finden die Greuel auf der Bühne statt, eben weil sie nicht gespielt werden mußten. Und bei den Griechen hinter der Bühne. Da kommen nur die Botenberichte über die Greuel. Und das ist das Interessante an Seneca, daß die Greuel auf der gedachten Bühne stattfinden.
Kluge
Und dies ist jetzt der erste Punkt, der dich reizt.
Müller
Ja, ja. Und es gibt noch was anderes. Die Vorgänge werden zur Total-Sprache bei Seneca, zum Beispiel, wenn du dich erinnerst, in der “Medea” von Seneca. Der Schluß ist lateinisch, Jason schreit, nachdem sie die Kinder getötet hat: Medea. Und sie sagt: Fiam.
Kluge
Was heißt das?
Müller
“Ich werde es werden.” Das ist einfach ein Vorgang, der sich gar nicht darstellen läßt, außer in der Sprache.
Tafel
Nieder mit der Tragödie\! / Es lebe das Drama\! Victor Hugo
Kluge
Es gibt den Satz bei Victor Hugo: “Nieder mit der Tragödie, es lebe das Drama.” Du schreibst einmal hier von den Kurzdramen Puschkins, was ist das? Als eine Form, der du folgen könntest.
Müller
Na, entstanden sind die, glaube ich, auch aus einem Mangel an Theater, oder aus der Schwierigkeit, eine Bühne zu finden für das, was er schreiben wollte. Und daraus kommt diese Komprimierung, der Lakonismus dieser Kurzdramen, die natürlich beeinflußt sind von der französischen Tragödie, also “tragédie classique” und so.
Kluge
… ursprünglich vierstündig und er macht Einakter daraus …
Müller
Die russische Kurzform … Das ist schon ein Problem … Ich kann dir gar nicht sagen, woran das liegt, erst einmal langweile ich mich sehr schnell, gerade im Theater. Und mir ist fast jeder Theaterabend zu lang, weil es wird zuviel Zeit verwendet auf Vorgänge, die man in fünf Sätzen abhandeln kann.
Kluge
Und zu wenig für die Tableaus. Also wenn man einmal ein Gefühl erreicht hat, einen Konflikt erreicht und mit der Motorik bergauf ist, will man ein Plateau haben.
Müller
Und das ist zum Beispiel interessant, wenn man ausgeht von so einer Struktur wie bei einem Seneca-Stück, kommt man sehr viel schneller zu Tableaus, also zu auch stehenden Bildern. Da ist die Musik dann wieder ein Instrument, um Bilder lange stehen zu lassen. Das würde mich interessieren. Auch den Boulez interessiert hauptsächlich die Dimension der Zeit, wenn er komponiert.
Tafel
Komprimierte Zeit: Kurzdramen, Tableaus, “Stehende Bilder”
Müller
Zeit kann man dehnen, man kann sie komprimieren also Zeitraffer, Zeitlupe, und das sind die Räume, in denen Musik für Drama wichtig wird.
Kluge
So daß du eigentlich erst mal so einen Anschub schreiben mußt als Libretto, daß das auf eine ganz bestimmte Kunstzeit sich erstreckt, für die es sich lohnt, bis zum Theater zu fahren, nach Ansicht des Zuschauers. Danach kannst du eigentlich die Dinge der Musik überlassen, Begriffe bilden, Rede und Gegenrede entfalten und auf dem Tableau, auf einem stehenden Bild, lange verharren. Und dann wieder muß man einen Abgesang haben.
Müller
Du kennst die Geschichte von Wilson …
Kluge
Nein. Dem Präsidenten? Ach so, Bob Wilson …
Müller
… die er besonders gerne erzählt, wenn er gefragt wird nach den Wurzeln seines Theaterkonzepts. Dann erzählt er immer von diesen Experimenten, die amerikanische Mediziner oder Psychologen gemacht haben mit Frauen, Müttern, die ihre Neugeborenen im Arm haben. Und wenn man die Filme, die die gemacht haben, in Zeitlupe ablaufen läßt, sieht man plötzlich, daß das fressende Mütter sind, daß dieses Küssen und das Streicheln und Kosen kannibalisch ist. Das sieht man aber nur in der Zeitlupe. Das ist ein anderer Vorgang dann, das wird zerlegt in Momente und es ist ein ganz anderes Bild.
Kluge
Das ist eine böse Beobachtung. Es gibt einen Film von Wertow, “Wiegenlied für Lenin,” und das besteht nur aus Müttern mit Kindern. Gelegentlich mal ein Erscheinungsbild von Stalin. Aber es ist eigentlich ein Bild über Mütter und Kinder. Und du sagst, das ist kannibalischer Natur, sowie man’s also in der korrekten Zeit aufnimmt.
Müller
In der Zeitlupe.
Kluge
In der Zeitlupe, das wäre ja richtig, weil die Zeiten sind verlangsamt zwischen Müttern und Kindern.
Tafel
SCHOCK der Kürze / Lakonie-\-
Müller
Es gibt so verschiedene Erfahrungen. Ich würde mir wünschen, mal einen Theaterabend zu machen oder zu sehen, der wirklich nur eine Viertelstunde dauert oder fünf Minuten, das wäre interessant. Es gab eine Aufführung von Schleef in Frankfurt, ich glaube, es war ein Stück von ihm nach Gorki, also das Modell “Nachtasyl”, ich weiß nicht mal den Titel, ist auch egal. Das fing an mit der Schlußszene von “Hamlet”. Einfach gestellt und sehr schön gestellt, großartige Kostüme. Die dauerte fünf Minuten, und dann war Pause. Das Stück dauerte zwei Stunden dann oder fast drei Stunden. Das war einfach als Schockmoment interessant, das war eine ganz andere Wahrnehmung, eine ganz andere Theatererfahrung wegen dieser schockierend kurzen ersten Hälfte und der Pause dann. Und dann dauerte es endlos lang. Das war interessant, das war eine Verschiebung, eine Veränderung der Wahrnehmung.
Kluge
So daß man die drei Stunden in der gesteigerten Zeit dieses Anfangs, dieses ersten Stückes wahrnimmt.
Tafel
Hamlet in Echtzeit / Beginn: Auftritt des Geistes um Mitternacht / Ende: Morgengrauen
Müller
[Es begann] um Mitternacht mit dem Auftritt des Geistes und hörte auf morgens um sieben. Das waren die besten Aufführungen. Die Leute gingen raus aus dem Theater, und es war Morgen.
Kluge
Das heißt also, den “Hamlet” aufgeführt in Echtzeit, wenn man so will, ohne Striche am Anfang und durchlebt die Nacht.
Müller
Ja, ja. Es hatte drei Pausen, und dadurch war’s kein Theater mehr. Es gab auch ein ganz anderes Publikum, es war natürlich fast nur junges Publikum, weil Leute über 40 gehen nicht um Mitternacht ins Theater und morgens um sieben raus, das waren jugendliche Arbeitslose im wesentlichen oder Leute, die sich das leisten. Und eine ganz andere Atmosphäre, zum ersten Mal auch in der Geschichte des DDR-Theaters wurde im Theater getrunken und gegessen während der Vorstellung. Es gab erst große Aufregung, die Frauen, die Kassiererinnen, versuchten das zu verhindern, daß jemand da eine Cola trinkt oder so. Es war aber nicht durchsetzbar, und es hat sich dann langsam eingebürgert, daß man das kann, weil es so lange dauerte. Und dadurch war es ein Ereignis und nicht mehr eine Theateraufführung.
Tafel
Luigi Nonos Projekt: “DAS KAPITAL”, Oper in 5 Akten
Müller
Nono hatte die Idee, “Das Kapital” zu komponieren, zu veropern.
Kluge
“Das Kapital” von Marx?
Müller
“Das Kapital” von Marx, ja, ja.
Kluge
Wie klingt Geld?
Müller
Das Problem ist, wie klingt Geld, ja.
Kluge
Also wenn du Scheine zählst …
Müller
Wie singt Kapital, ja …
Kluge
Also die Ware und der Warenwert und der Warenfetisch, der kann ja sehr hohe Koloraturen entwickeln. Der kann sehr viele Obertöne, sehr viele Nebentöne entwickeln. Also da liegen noch eine Menge Versprechen drin.
Tafel
“Das Kapital” von Luigi Nono Erstes Fragment des Librettos für Pierre Boulez: HERKULES
Kluge
Du sprachst vom ersten Fragment, sagen wir mal, dieses Librettos. Was ja in sich eine Oper sein kann, wenn Boulez das so komponiert, aber das ist dann gar nicht lang?
Müller
Was mich interessieren würde, wäre als erstes Bild wirklich die Szene von Canova. Herakles hat seine Kinder getötet, die sind tot. Und der Großvater steht noch in der Abwehrhaltung, die Mutter auch, und die nächste Variante wäre dann, daß die Kinder wieder lebendig sind, und man zeigt, wie er sie tötet. Und das vielleicht fünfmal.
Kluge
So daß also immer auch wieder die Hoffnung aufersteht, sie mögen nicht getötet sein, so wie hier in der russischen Eröffnung, die Hoffnung eigentlich der dramatische Punkt ist. Die Hoffnung, daß Exekution nicht stattfindet. Glückliche Wiedererkennung als die höchste tragische Form, und dann passiert die Tragödie dennoch.
Müller
Ja. Du weißt, daß es von Ambrose Bierce kommt.
Kluge
Nein, das weiß ich nicht.
Müller
Ich weiß nicht mehr, wie die Geschichte heißt. Das ist die Beschreibung einer Hinrichtung, es wird jemand erhängt an einer Brücke. Und genau der erlebt sein Überleben, und dann hängt er.
Kluge
Im amerikanischen Bürgerkrieg spielt diese Geschichte?
Müller
Ja. Da fängt das an …
Kluge
Er erlebt seine ganze Rettung traumartig, schwimmt im Fluß davon, und dann zum Schluß ist er gehängt?
Müller
Ja, ja. Der amerikanische Bürgerkrieg ist sowieso ein ganz entscheidendes Datum, glaube ich, für alle europäischen Kriege.
Kluge
Und jetzt entsteht mehrfach, daß dieser Wahnsinn diesen Herakles überfällt: Nimmst du dazu Stellung, daß der ihm von der Göttin eingegeben ist? Wo kommt der her, der Wahnsinn?
Müller
Das ist mir ziemlich egal, eigentlich.
Kluge
Daß er das Liebste, was er hat, töten muß.
Müller
Ja, meine Vorstellung war eigentlich immer, daß er, nachdem er so viele Feinde, Ungeheuer usw., getötet hat …
Kluge
… nicht davon absehen kann.
Müller
… Theben davon befreit hat, sieht er überall diese Feinde, nach dem Sieg. Die kommen überall wieder hoch und …
Kluge
Wie nach einer Fließbandarbeit man nachts noch weiter in den Muskeln zuckt, so kommt jetzt sozusagen nach …
Müller
Es gibt so ein No-Spiel, was ich immer machen wollte oder bearbeiten wollte. Das ist so ein Modell, “Kumasaka”, glaube ich, heißt es. Das ist die Geschichte von einem sehr berühmten Straßenräuber, der immer wieder Karawanen überfällt, Handelskarawanen, die mit irgendwelchen Waren da durchziehen. Und diese No-Spiele spielen ja immer im Jenseits, das sind immer Tote, die irgendwas aufarbeiten und abarbeiten müssen. Und der muß die große Szene, wo er von einem dieser Kaufleute erschlagen wird, die muß er immer wieder nachspielen, bis er keine Lust mehr dazu hat, bis er keine Lust mehr daran hat, die Karawanen zu überfallen und die Leute zu töten. Und so lange muß er das machen, bis er keine Lust mehr hat.
Kluge
Auf diese Weise entsteht jetzt eine Katharsis, indem der Schauspieler so lange dasselbe immer wieder spielt, bis er keine Lust mehr hat …
Müller
… bis er keine Lust mehr hat, das zu machen, und so lange muß er es aber machen.
Kluge
Das Publikum guckt mit Genuß an, wie sich diese tragische Kunst einmal voll erschöpft, vor Zuschauern.
Müller
Das wäre wirklich eine Aufgabe für Musik. Diese Erschöpfung.
Kluge
So daß du jetzt nicht Dramatik aufbaust, wie ein guter Unternehmer des Theaters im 19. Jahrhundert, sondern du baust sie ab. Und wie nennst du das, Akte ist ja dann ein falscher Ausdruck. Das sind Partikel, Fragmente?
Müller
Das ist eigentlich das, was ich meinte mit dem Text “Bildbeschreibung” - “Explosion of a Memory” war der englische Titel \-, weil es gab keinen englischen Titel dafür. “Bildbeschreibung” ist langweilig als englischer Titel. Und da fiel mir ein für die englische Variante “Explosion of a Memory”. Für die französische war es noch was anderes, es war “Landschaft unter Aufsicht”. Und da geht’s eigentlich darum, daß Vorgänge sich endlos wiederholen.
Kluge
Und dabei in Varianten wiederholen, bis sie auf Null gehen, bis ich mir ein Verhalten abschminken kann?
Tafel
EXPLOSION of a MEMORY - Bildbeschreibung
Müller
Ja. “Bildbeschreibung” kann als eine Übermalung der “Alkestis” gelesen werden, das ist auch ein Herakles-Stück, die das No-Spiel in “Kumasaka”, den 11. Gesang der “Odyssee” und Hitchcocks “Vögel” zitiert. Der Text beschreibt eine Landschaft jenseits des Todes. Die Handlung ist beliebig, da die Folgen Vergangenheit sind. Explosion einer Erinnerung in einer abgestorbenen, traumatischen Struktur.
Tafel
“In einer abgestorbenen, traumatischen Struktur”
Kluge
Eine abgestorbene traumatische Struktur.
Müller
Ja, ja.
Kluge
Wenn du sagst: Stalins Reich, Hitlers Reich, könntest du eigentlich eine beliebige Handlung, die vergangen ist, immer wieder konfrontieren mit so einer Erfahrung, bei der das Schmerzhafteste ist, daß eigentlich die Geschichte ihre Erfahrung mit sich weggezogen hat, man kann nicht einmal mehr darüber reden. Es ist nichts erledigt, man kann es nicht verstanden haben, man kann nicht sagen, man hat das alles verstanden. Und gleichzeitig: Man kann es nicht erzählen. Und dies wäre die Wiederherstellung der Erzählfähigkeit, weil ich ja jetzt in beliebigen Partikeln immer wieder es repetiere. Einmal mit Musik, einmal mit Geräusch, einmal mit Reden, einmal mit Schweigen. Also ein Opernteil könnte mit Taubstummen, von Taubstummen gespielt werden?
Müller
Ja, ja, ja.
Kluge
Und Oper mit Taubstummen wäre ja eine hervorragende Chance für Musik. Keine Stimme stört. Und die Sänger werden als Orchestermitglieder vereinigt, brummen oder summen usw., was ja hinreißend klingt, aber gleichwertig mit den Orchesterstimmen. Spielt es dann für dich eine Rolle, daß man, sowie man beim Ödipus sagen kann … Also Leute wie Freud, die das psychologisch gedeutet haben, also daß Ödipus in uns vorkommt. Auch der Orest könnte ja vorkommen in uns. Der Trojanische Krieg ist ein Vernichtungskrieg, wie wir das kennen. Was ist Herakles? Ist das ein produktiver Mensch? Zeus’ Sohn zu sein, ist eine unanschauliche Eigenschaft. Bei Jason mitzurudern - nichts Erschöpfendes.
Müller
Diese Herakles-Figur ist ja eigentlich nur dramatisch interessant von ihrem Ende her, wenn man jetzt als Ende setzt diese Wahnsinnsphase, die Ermordung der Kinder und den eigenen Selbstmord …
Kluge
… auf dem Scheiterhaufen.
Müller
Auf dem Scheiterhaufen, ja.
Kluge
Wobei sich keiner traut. Du hast das in diesem Stalin-Text: Stalin ordnet an: “Tötet mich,” und sie würden eine Falle vermuten und nicht gehorchen. Das ist einer der wenigen Fälle, wo sie nicht gehorchen. Und so gehorcht dem Herakles keiner, als er auf dem Scheiterhaufen liegt und seine Wunden vom Nessus-Hemd unerträglich findet. Und er möchte sterben, und keiner zündet das Ding an. Ein dummer Hirte, der die Gefahr nicht sieht, der ist zum Schluß bereit, läßt sich überreden und kriegt zwei Geschenke, die vergifteten Pfeile und das Nessus-Hemd, d.h. es wird ihm sehr übel ergehen. So würdest du das deuten, daß das in dem Fall Stalin ist?
Müller
Ja, ja.
Kluge
Bevor jetzt der Wahnsinn die eigenen Kinder tötet, würdest du sagen, daß er da so einen Staudamm gebaut hat in der Ukraine, so einen Riesenstaudamm mit Marmor und Tempeln, daß er den Gartenring gebaut hat und diese Hochhäuser, daß er - und so weiter … Das sind nicht wirklich böse Taten, sondern das ist so wie die Besiegung dieses Löwen …
Müller
… der Ungeheuer …
Kluge
… der Ungeheuer.
Müller
Ja. Was Hitler zum Beispiel dem Paul Wegener gesagt hat: Meine Kraft besteht nicht im Ausatmen, sondern im Einatmen. Ich atme das Publikum ein.
Kluge
Hat Hitler gesagt?
Müller
Hat Hitler gesagt, ja.
Kluge
Er hat sich also mit Schauspielern da über berufliche Fragen …
Müller
Ja, mit Paul Wegener über Schauspieler\- probleme, ja.
Kluge
Wenn du mal den Unterschied zwischen Stalin und Hitler … In deinem Drama befaßt du dich ja mit den beiden, und wie es einem Dramatiker ansteht, verwandelst du die in eine Art Liebespaar und Haßpaar. Wenn du mal die beiden Industriegesellschaften nimmst, also Deutschland, vom Medium Hitler interpretiert. Und Sowjetunion oder Rußland, von Stalin, was ist der ganz generelle Unterschied?
Müller
Das Merkwürdige ist ja zunächst, daß … Es ist vielleicht etwas ganz Dummes jetzt, aber das erste, was mir einfällt, ist, wenn man die beiden vergleicht oder in Beziehung setzt zur Industrie, hatte Hitler eigentlich ein mehr archaisches Verhältnis zur Industrie als Stalin. Stalin konnte sie benutzen.
Kluge
Sie war für ihn neu …
Müller
Sie war für ihn neu, und es war ein Spielzeug. Und für Hitler war es eigentlich was Fremdes.
Kluge
Was er eigentlich, wenn es Chemie ist, auch ablehnen könnte.
Müller
Ich würde glauben, daß Stalin nicht so reagiert hätte auf die Entdeckung der Atomspaltung. Der hätte das begriffen. Und Hitler hat es nicht begriffen. Was ein Glück war, auch. Ich glaube, da ist ein Unterschied, Hitler kommt aus einer katholischen Welt, vielleicht spielt das eine Rolle. Und er ist viel mehr mutterorientiert und mutterbestimmt als Stalin. Stalin hatte wahrscheinlich ein viel entspannteres Verhältnis zu seiner Mutter als Hitler. Die hat ihm Pakete geschickt, gut, aber das war das normale Verhältnis eines Georgiers zu seiner Mutter. Aber bei Hitler ist das viel gespannter, viel neurotischer. Stalin hat von Hitler sehr viel gelernt, also den Kirow-Mord und alles was danach kam, hat er eigentlich von Hitler gelernt. Hitler hat das aber von Mussolini gelernt, er wußte es von sich aus nicht, wahrscheinlich. Es gibt so eine Geschichte, kennst du sicher, daß Mussolini Hitler darauf gebracht hat, indem er ihm Machiavelli zitiert hat und Nietzsche: Das erste, was man loswerden muß, sind die, die einen zur Macht gebracht haben, die einem zur Macht geholfen haben, die muß man zuerst liquidieren. Darauf wäre wahrscheinlich Hitler gar nicht gekommen, das hat er von Mussolini gelernt, über die Bildung von Mussolini. Und das hat Stalin dann von Hitler gelernt.
Tafel
“Der letzte Sieger ist der Tod–” (Stalin)
Müller
Das Andere, es hat mir immer sehr gefallen, was de Gaulle zitiert. Das ist ein Lieblingssatz von Stalin, und in diesem Buch von Malraux, “Die letzten Gespräche mit de Gaulle”, zitiert de Gaulle Stalin. Stalin hätte ihm gesagt: “Der letzte Sieger ist der Tod.” Oder: “Der einzige Sieger ist der Tod.” Das ist ein Satz, den Hitler nicht gesagt haben könnte.
Kluge
“Der letzte Sieger ist der Tod.” Warum hätte Hitler das nicht sagen können?
Müller
Weil für Hitler ging es doch grundsätzlich darum, daß er alles in seiner Lebenszeit erreichen wollte. Es gab keine Zukunft. Es mußte alles in seiner Lebenszeit stattfinden. Und das ist wahrscheinlich auch die Faszination jetzt für eine Generation, die aufwächst mit dem Gefühl, es gibt keine Zukunft. Hitler war orientiert auf totale Gegenwart, nur Gegenwart gibt es, es gibt danach nichts. Danach gibt es nur die Toten und davor auch.
Tafel
\- Heiner Müller Textfragmente: “Goebbels tritt als Medea auf” / Hilters Schlußworte
Kluge
Sag mal, hier hast direkt von deinem Schreibtisch, glaube ich, hast du einen Text, da tritt Goebbels als Medea, die ihre Kinder ermordet hat, auf, und da kommt Hitler vor, mit einem längeren Monolog, kann man das sagen?
Müller
Ja, ja. Eigentlich eine Rede. Es gab doch diese Szene in der Reichskanzlei, wo er die Damen, die für ihn gearbeitet haben, zu einem Abschied empfangen hat …
Kluge
… Sekretärinnen Wolf, Junge …Abschied nimmt
Müller
… und da gibt’s auch den Bericht, daß sie danach, als er in seinem Bunker verschwunden war, haben die getanzt, das fand ich irgendwie sehr merkwürdig, und darauf basiert es eigentlich.
Kluge
Lies doch das mal.
Müller
Goebbels: “Das waren meine Kinder Meine Zukunft / Ich habe sie geschlachtet Sie sind dahin / Wir lassen hinter uns was nach uns kommt / Die Zukunft unser Feind Der Sieg ist unser /” Er stirbt. Also Goebbels stirbt. Und vorher war Stalin erschienen, und da gibt’s auch so einen Text, und Stalin geht lachend ab.
Hitler
“Rattenhuber, das Benzin, und bitten Sie jetzt die Damen zu mir.” Rattenhuber ab, Damen, Rattenhuber mit Benzinkanistern.
Hitler
“Meine Damen. Ich danke Ihnen allen für die Arbeit, die Sie geleistet haben in Treue, was wäre das Leben ohne die Treue der Frau, ich schweige vom Tod, für meinen Dienst an Deutschland, das mit mir untergeht.” Regieanweisung: Geschützdonner, Detonationen. “Sie hören den Triumph des Untermenschen, der seine Herrschaft antritt. Der Untermensch hat sich als der Stärkere erwiesen. Der Mensch mag zugrunde gehn. Ich bin, Sie wissen es, der Übermensch. Ich habe das Meinige getan, die Menschheit auszurotten, die den Planeten überschwemmt. Nach mir werden andere kommen, die meine Arbeit fortsetzen. Ich werde diese Welt verlassen, weil sie für mich zu klein geworden ist, zusammen mit Fräulein Eva Braun, die ich vor einer Stunde geheiratet habe, hier ist der standesamtliche Beleg, unterzeichnet von Herrn Richard Wagner.” Der Standesbeamte hieß wirklich Wagner, nur nicht Richard, aber das kann man, glaube ich, machen. “Unterzeichnet von Herrn Richard Wagner, bitte prüfen Sie seine Unterschrift, damit Himmel oder Hölle uns nicht trennen kann, denn Ihre Hände sind rein und meine Hände sind blutig wie die Hände aller großen Männer der Geschichte blutig sind. Alexander Caesar Napoleon Friedrich der Große leise: Stalin. In den Dimensionen der Geschichte ist das Blut ein besserer Treibstoff als das Benzin, es führt in die Ewigkeit, und die Treue ist das Mark der Ehre. Ich gehe zurück zu den Toten, die mich geboren haben. Jesus Christus war ein Menschensohn, ich bin der Sohn der Toten. Ich habe meinen Astrologen erschießen lassen, Herrn Friedrich Nietzsche, damit er mir vorangeht in das Reich des Todes, das die einzige Wirklichkeit ist, und dessen Statthalter auf Erden ich gewesen bin. Leben wird mein Programm: Gegen die Lebenslüge des Kommunismus KEINER ODER ALLE. Die einfache und volkstümliche Wahrheit FÜR ALLE REICHT ES NICHT. Gegen das verlogene Geschwätz der Pfaffen LIEBET EURE FEINDE das ehrliche Gebot meines deutschen Katechismus VERNICHTET SIE WO IHR SIE TREFFT. Ich habe Europa zu meinem Scheiterhaufen erwählt. Seine Flamme wird mich von meinen staatsmännischen Pflichten entbinden. Ich sterbe als Privatmann. Aber der Rauch der brennenden Städte wird meinen Ruhm um die Erde tragen und die Asche der Krematorien wird den Himmel verdunkeln. Mein Denkmal, das der Wind zu den Sternen trägt nach mir. Denn ewig lebt des Toten Tatenruhm, wie schon die Edda sagt, das heilige Buch, die Bibel des Nordens. Es lebe der deutsche Schäferhund.” Erschießt seine Hündin. Damen: “Heil Hitler.” Hitler ab, zwei Schüsse. Tanz der Frauen vor dem Hintergrund der brennenden Hauptstadt zu Wagners GÖTTERDÄMMERUNG
Kluge
Wenn du das jetzt sehen würdest von japanischen Schauspielern gespielt, würde das doch in eine enorme Ferne rücken, und in dem Moment, in dem es auf diese Weise in die Ferne rückt, kannst du dich wieder damit beschäftigen und jetzt wieder dieses heilsamen Kursus, das du etwa solange wiederholst, bis er wirklich stirbt. Er ist ja im Grunde nie richtig begraben worden. Er ist eigentlich in Form einer Rundfunkmeldung begraben worden. Und ist es eigentlich notwendig, jemanden, in den so viel Überschätzung, so viel aber auch wirkliches Vertrauen investiert worden ist, daß der auch wirklich nach einem Ritus umkommt und beerdigt wird? Da muß man noch einen Stein drauflegen, damit so etwas sozusagen nicht Führer der Toten werden kann.
Müller
Ja, ja. Im Grunde, wenn man sich vorstellen würde, wir lebten in Afrika, dann würde Hitler jedes Jahr begraben, würde man jedes Jahr eine Hitler-Kopie oder Hitler-Puppe begraben. So lange, bis das irgendwie alle langweilt, bis keiner mehr kommt zu diesem Ereignis. Das wäre ja eigentlich die Lösung.
Kluge
Und das ist eigentlich, was das Theater machen soll.
Müller
Es muß die Toten begraben …
Kluge
Es soll nicht künstlich die Gewissenhaftigkeit aufpeitschen, sondern die Toten begraben, die unlösbaren traumatischen Erlebnisse begraben, nicht lösen. Ja, klar, klar.
Tafel
Text von 1956 “Die drei Witwen”
Kluge
Es gibt ja einen Text von dir, wo du beschreibst 1956. Wenn du das mal beschreibst?
Müller
Das ist … Welchen meinst du jetzt?
Kluge
“Die drei Witwen”. Die ist von Brecht, und die ist hier skizziert.
Müller
Ja, ja. Die Geschichte ist passiert, die stammt von Fritz Cremer. Fritz Cremer, der Bildhauer, hat einmal die Totenmaske von Brecht abgenommen und dann auch den Sarg gemacht, Brecht wollte einen Stahlsarg.
Kluge
Das hatte er alles vororganisiert.
Müller
Ja. Er hat auch einen Herzstich testamentarisch noch angeordnet, wie Nestroy und Raimund glaube ich.
Kluge
Was heißt ein Herzstich?
Müller
Naja, um nicht scheintot zu sein. Die Garantie zu haben, daß er nicht scheintot begraben wird. Offenbar eine große Angst deutscher Dichter seit Schubart. Du weißt, Schubart saß, ich weiß nicht wieviel Jahre, zwölf oder so, auf dem Hohenasperg, oder sogar länger. Und als man sehr viel später den Friedhof abgeräumt hat, hat man entdeckt, daß der Sarg von innen völlig zerkratzt war, der Sarg von Schubart, das ist schon makaber, nach zwölf Jahren Knast auch noch scheintot beerdigt zu werden.
Kluge
Und jetzt ist diese Geschichte hier, die drei Witwen beraten, Harich ist verhaftet, was kann man tun?
Müller
Und dann kommt Fritz Cremer, der Bildhauer, der das erste Modell von dem Stahlsarg gemacht hatte
Kluge
… aus der Stahlfabrik …
Müller
… im Stahlwerk Henningsdorf wurde das gemacht \-, der kam mit zwei Arbeitern, er hatte vergessen Maß zu nehmen, er wußte nicht, ob der Brecht reinpaßte. Du erinnerst dich an Wallenstein, dem die Beine gebrochen werden mußten, weil die Verschwörer nicht Maß genommen hatten, die hatten einen zu kurzen Sarg für Wallenstein. Offenbar kannte Cremer diese Geschichte auch. Jedenfalls, er kam in diese Versammlung der drei Witwen mit dem ersten Modell des Stahlsargs.
Kluge
Einer der Träger, der Arbeiter mußte probeliegen?
Müller
Und einer der Arbeiter, von denen die Weigel meinte, er hätte ungefähr die Statur von Brecht, mußte sich Probelegen in den Sarg.
Kluge
War das zu Lebzeiten von Brecht?
Müller
Nein, nein, der war schon tot, da war er schon tot. Der Harich ist verhaftet worden nach dem Tod von Brecht.
Kluge
Hast du solche Vorkehrungen getroffen?
Müller
Nein, überhaupt nicht.
Kluge
Das hat mich bisher nicht interessiert.
Müller
Weißt du, wo du je liegen wirst? Das ist mir zunächst mal völlig egal. Der Dorotheenstädtische Friedhof ist fast besetzt, glaube ich, das ist ganz schwierig. Die beste Variante ist immer noch, die Asche über der Ostsee oder über der Nordsee ausstreuen zu lassen, glaube ich. Das kann man noch erreichen.
Tafel
Auf dem Weg zu einem THEATER DER FINSTERNISSE