Kaiser Maximilian von Mexiko
Transkript: Kaiser Maximilian von Mexiko
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- PRIME TIME. Spätausgabe
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- KAISER MAXIMILIAN VON MEXIKO der Bruder des Kaisers Franz Joseph von Österreich, wurde von seinen europäischen Verbündeten im Stich gelassen / Maximilian wurde gefangen und auf Befehl von Benito Juarez standrechtlich erschossen / Maximilians Schicksal bewegte die Phantasie der Menschen wie der Tod von Ludwig dem Sechzehnten, Ceausescu, Kaiserin Sissi u.a.
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- Maximilian
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- Der Gerichtshof, der Maximilian verurteilte - - 8 9 10 11 12 13
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- Der tote Kaiser
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- Das Erschießungskommando
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- Der letzte Überlebende dieses Kommandos - -
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- Die mexikanische Regisseurin Dana Rodberg über Kaiser Maximilian
- Alexander Kluge
- Wenn Sie mir mal beschreiben, die Zeit von Kaiser Maximilian. Das ist ja nicht viel länger als 130 Jahre her. Dana Rodberg (via Dolmetscherin): Nein, das ist nicht so weit weg. Das ist eine Zeit, die sehr viel von diesem Geist spricht, Die Mexikaner haben gerade eine wichtige nationale Schlacht gewonnen, und das Einzige, was ihnen einfällt, ist einen Kaiser aus Österreich sich zu holen, statt …
- Kluge
- Der bei Triest ein wunderschönes kleines Schloss hat…nicht? Rodberg (via Dolmetscherin): Und sie holten sich … sie holten diesen Prinzen und entwurzelten ihn da, wo er herkam und setzten ihn in Mexiko hin mit der Königin und Lakaien…
- Kluge
- Ein bisschen wie in einem Märchen.
- Rodberg (via Dolmetscherin)
- …und mit den ganzen Kleidern auch…
- Kluge
- Eine französische Armee. Direkt von der Weltausstellung marschiert eine französische Armee ein.
- Rodberg (via Dolmetscherin)
- Und kommt nach Mexiko rein, und es gibt… ein Großteil der Bevölkerung empfängt ihn mit offenen Armen. Die eigentlich nicht verstehen, dass das eigentlich eine Invasion ist.
- Kluge
- Aber warum ist Mexiko jetzt nicht glücklich? Rodberg (via Dolmetscherin): Weil es uns nicht entspricht.
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- Dana Rodberg Was haben wir mit einem österreichischen König zu tun? Was hat er mit uns zu tun? Nichts. Es ist eine Figur, die nicht funktioniert, die nichts mit der mexikanischen Mentalität zu tun hat … deshalb musste ein… ein Präsident kommen, ein Indio-Präsident, ein dunkelhäutiger, klein von Statur, mit den ganzen völlig verschiedenen Gesichtszügen …
- Kluge
- Jetzt kommt Benito Juarez. Ja. Ja. Und wie sieht der aus? Rodberg (via Dolmetscherin): Er ist klein. Er ist dunkelhäutig. Er hat Eingeborenen-Züge, er hat Indio-Züge. Sehr schwarze Augen. Und mit glatten Haaren, mit hochstehenden Haaren …
- Kluge
- Die Haare in die Höhe stehend? Rodberg (via Dolmetscherin): Naja, weil die sehr harte Haare sind, borstige Haare, die stehen … das ist die Antithese zum europäischen Schönheitsideal.
- Kluge
- Also mongolische Haare steil aufstehend, kann man keinen Scheitel machen. Rodberg (via Dolmetscherin): Wie ein Stachelschwein.
- Kluge
- Wie ein Stachelschwein. Und der kommt aus der Provinz. Rodberg (via Dolmetscherin): Er ist ein Bauer.
- Kluge
- Er ist ein Bauer. Rodberg (via Dolmetscherin): Er ist ein Bauer aus Oaxaca. Und der konnte nicht einmal Spanisch am Anfang. Und der lernte alleine… und er kam alleine an die Macht. Und diese Figur … hundert Prozent durch und durch mexikanisch, war der Einzige, der mit dieser Habsburgerischen Monarchie in Mexiko…
- Kluge
- Und er besiegt den Maximilian. Ja. Er lässt ihn töten. Ja. Rodberg (via Dolmetscherin): Er erschießt ihn.
- Kluge
- Und wie ist er gestorben? Rodberg (via Dolmetscherin): Auch umgebracht.
- Kluge
- Durch wen? Rodberg (via Dolmetscherin): Durch den nächsten. Durch die nächste Bewegung, die an die Macht wollte.
- Kluge
- Und von da an … ein Korruptionsfall nach dem anderen.
- Rodberg (via Dolmetscherin)
- Ja. Korruption ja. Korruption gab’s immer. Aber mehr als Korruption in diesem Fall …
- Kluge
- Aber Juarez ist nicht korrupt.
- Rodberg (via Dolmetscherin)
- Nein. Juarez war ein Mensch von einer unglaublichen Integrität. Juarez war der Einzige, der die Kirche vom Staat zu trennen vermochte. Die Kirche besaß das gesamte Land, und er nahm der Kirche das Land weg und gab es denen, die das Land bearbeiten, den Bauern.
- Text
- Übersetzung: Elena Alvarez Es war eine Person mit einem unglaublichem Mut und Würde. Eine sehr komplexe Person, Juarez. Weil er auch andererseits Maximilian sehr bewunderte in vielen Sachen. Aber er war ein Feind, er war ein Eindringling.
- Kluge
- Würde Benito Juarez wiederkehren, hätte er eine Mehrheit? Rodberg (via Dolmetscherin): Ja, ich glaube schon. Weil es lange her ist, dass wir keine Führerfigur haben, dass wir kein Caudillo haben, wir haben niemand, der das Mexikanische würdevoll vertritt. Juarez … das wäre wundervoll!
- Kluge
- Kannst Du mir mal Deine Eindrücke von diesem Maximilian von Mexiko, und die Geschichte erzählen? Zunächst, ist das ’ne dramatisierbare Geschichte, ist das dramatisch?
- Heiner Müller
- Es gibt ein Drama von Franz Werfel, “Juarez und Maximilian”, gibt es schon. Und natürlich bin ich auf der Seite von Juarez, ist gar keine Frage, weil Werfel als Österreicher hat natürlich den Maximilian zu einer Christusfigur gemacht, was auch in dem Bild sich andeutet.
- Kluge
- Ein technischer Offizier, der jüngere Bruder eines relativ aggressiven, militärisch gewillten Kaisers …
- Müller
- Er war aber auch ein noch pubertierender junger Mann, der …
- Kluge
- … Segelschiffe liebte …
- Kluge
- … Segelschiffe liebte … und wo es möglich war ihm einzureden, dass er ’ne Mission hat, ne, und eine humanitäre Mission.
- Kluge
- Jetzt kommt einer, den der Marx immer genannt hat, wie hat er ihn genannt? Also den Konstabler, ja. Denjenigen, den Polizeibeamten, den das Bürgertum braucht, um seine Macht richtig in Diktatur zu verwandeln, das ist Napoleon der Dritte, ja. Erbschein ist vorhanden.
- Müller
- Der, der den Napoleon spielt, der wohl den Ersten spielt …
- Kluge
- Der spielt den Napoleon den Ersten …
- Müller
- Ein Schauspieler.
- Kluge
- Jawohl, ein Schauspieler.
- Müller
- Und der Schauspieler will immer ein Regisseur sein, und der inszeniert jetzt Maximilian in Mexiko.
- Kluge
- Eine große Veranstaltung für die Presse. Ja. Für Weltausstellungen.
- Müller
- Die Inszenierung ist ja auch gelungen. Aber was ich interessant finde daran, ist – ist jetzt ne Abschweifung vielleicht, aber – ich war vor, glaub vor ’nem halben oder dreiviertel Jahr in Bukarest, war vorher nie da, und dieses Hollywood-Babylon, was der Ceausescu versucht hat da bauen zu lassen, das ist wahnsinnig.
- Kluge
- Nicht stalinistischer, sondern in chinesischer Manier.
- Müller
- Nicht nur chinesisch …
- Kluge
- Eine Manier eigener Art.
- Müller
- Es ist Babylon und Hollywood. Es ist völliger Wahnsinn. Steht alles leer jetzt und wird in Kürze verfallen, und so … aber es ist toll als Entwurf, ne. Echter Wahnsinn. Gut. Wir haben das gesehen dann, wir waren eine Delegation von irgendeiner Organisation für kulturelle Verbindungen und so. Dann waren wir in der ältesten orthodoxen Kirche in Bukarest, da war gerade eine Delegation von älteren Frauen damit beschäftigt Kerzen, aufzustecken für die Hinterbliebenen oder für die Toten. Und dann kam eine alte Frau zu uns, sie hatte gehört, dass da Französisch gesprochen wurde. Sie kam mit einer Kerze und sagte – war eine Dolmetscherin auch – und fragte: Können Sie mir sagen, wo das Heiligtum oder der Tempel der Jeanne d’Arc ist.
- Kluge
- Wie?
- Müller
- Jeanne d’Arc.
- Kluge
- In Bukarest?
- Müller
- Nein, wo das in Frankreich ist. Weil sie hatte Französisch gehört.
- Kluge
- War eine rumänische Frau?
- Müller
- Ja, war eine ganz alte zerknitterte Rumänin: Wo ist der Tempel der Jeanne d’Arc? Ja, warum interessiert Sie das? Ja, ich möchte eine Kerze für die Jeanne d’Arc stiften in ihrem Tempel oder Heiligtum. Ja, und warum? Ja, weil die Jeanne d’Arc hat die Monarchie gerettet. Und was wir brauchen ist die Monarchie. Und das war so einleuchtend, ne, für Rumänen: Die brauchen einen Monarchen– ich mein das jetzt ganz ernst – der zwei, drei, vier Jahre dieses Geschäft übernimmt, und dann wird er umgebracht, und dann können die anfangen was anderes zu machen. Ich brauch erstmal so eine Übergangsfigur …
- Kluge
- Die Ausgangsstellung …
- Müller
- Ja, ja, es geht nur über so was.
- Kluge
- Das Jahrhundert muss nachsitzen, es muss nochmal wiederholt werden.
- Müller
- Genau, ich glaub schon. Das gilt im Grunde fast auch für Russland, ne. Es geht nur mit der Monarchie. Wenn man die jetzt Hals über Kopf in … was man hier so unter Demokratie versteht oder Stuss … ist die nackte Katastrophe. Man braucht eine Bezugsfigur, die nichts mit den Realitäten zu tun hat, ne.
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- 120 JAHRE BEVOR: Kaiser Napoleon der Dritte macht den armen Maximilian zum Kaiser von Mexiko
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- Die Weste Maximilians nach der Erschießung (Einschüsse)
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- In guten Tagen: Kaiser Franz Joseph und sein Bruder Maximilian
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- Der Wagen, der Maximilian zur Exekution fährt - -
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- Die Beichtväter
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- “Am Fuße des Hügels blieb der Wagen stehen, da man den Wagenschlag nicht aufmachen konnte, sprang seine Majestät zum Fenster hinaus und sagte zu seinem Diener Tidos auf ungarisch: Glaubst Du jetzt daran, daß sie mich erschießen?”
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- KAISER MAXIMILIAN VON MEXIKO
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- PRIME TIME. Spätausgabe